Das „Mindfulness-based stress reduction program“ (Kabat-Zinn, 1990)
Stressbewältigung und mehr Wohlbefinden durch das Konzept der
Achtsamkeit
Frank Beckers
1Einleitung 2
1.1 Aufbau und Zielsetzung dieser Arbeit 3
1.2 Begriffsdefinitionen und Abkürzungen 4
2Achtsamkeit – Damals und Heute. Herkunft und heutige Anwendung in der Psychologie. 5
1.1 Achtsamkeit und ihr Ursprung in der Lehre des Buddhismus 5
1.2 Achtsamkeit in der heutigen Psychologie 6
3Das „Mindfulness-based stress reduction program“ von Jon Kabat-Zinn (1990) 8
1.3 Vorstellung der Methode MBSR zur Stressbewältigung 8
1.4 Validierungsstudien von MBSR zur Stressbewältigung? 14
1.5 Der Einfluss von Achtsamkeit auf Wohlbefinden und Gesundheit 17
4Zusammenfassung 19
5Literaturverzeichnis 21
Anhang 25
In unserer hektischen Zeit kommt es immer wieder vor, dass Stress unsere Wahrnehmung des jeweiligen Moments verändert. Immer wieder berichten Menschen über eine ähnliche Situation wie die Folgende: Man fühlt sich gestresst, weil man in einer unangenehmen Situation steckt wie z. B. kurz vor einem Zahnarzttermin oder am Ende eines harten Bürotages vor Abgabetermin eines wichtigen Projektes. Gerade in so einer Situation kommt ein Mensch mit seinem Anliegen auf uns zu. Aufgrund der eigenen Stresssituation schenken wir dem Anliegen oft kaum Beachtung, da wir nicht erkennen, wie wichtig es ist oder schlimmer noch, wir handeln vorschnell und sagen oder denken Sätze, wie z. B.: „Das hat mir gerade noch gefehlt!“. Damit verletzen wir unser Gegenüber oft und merken es noch nicht einmal. Phrasen wie: „Sonst sind wir nicht so, aber der Stress … “, werden dann oft als Ausrede benutzt. Auch Streitereien entstehen oft auf diese Weise. „Und dabei war es doch so gar nicht gemeint,“ denkt man später und bereut das unachtsame Verhalten. Unachtsamkeit ist die Ursache für viele derartige Konflikte. Vorschnelles Handeln ohne zu überlegen wirkt oft verletzend. Mentale Inhalte wie Gedanken, Gefühle und Empfindungen werden von uns meistens direkt, nachdem Sie wahrgenommen werden kategorisiert, wie in oben beschriebenem Beispiel: „Das hat mir gerade noch gefehlt!“. Dies geschieht oft automatisch und so schnell, dass wir uns dessen gar nicht bewusst sind. Das Problem daran ist, dass die Kategorien einander meistens ausschließen, wie z. B.: „gut oder schlecht“, „mit meinen Zielen vereinbar oder nicht vereinbar“ und ob etwas „richtig oder falsch“ ist. Die Folge davon ist ein „Schwarz–Weiß“ Denken, welches viele innere und äußere Konflikte entstehen lassen kann. Auch Vorurteile können auf diese Art und Weise oft über Jahre aufrecht erhalten werden. Das Konzept der Achtsamkeit sorgt unter anderem dafür, dass uns diese Kategorisierungstendenz bewusst wird und wir widerstehen unbewusst und automatisch zu kategorisieren und zu handeln. Achtsamkeit ist „das aufmerksame und unvoreingenommene Beobachten aller Phänomene, um sie wahrzunehmen und zu erfahren, wie sie in Wirklichkeit sind, ohne sie emotional oder intellektuell zu verzerren“ (Solé-Leris, 1994). Durch achtsames Beobachten entsteht ein Raum, eine Pause zwischen unserer Wahrnehmung und der darauffolgenden Reaktion. Diese Pause hilft uns bewusst Entscheidungen treffen zu können. Dadurch handeln wir nicht rein unbewusst und wir machen uns nicht zum Sklaven unserer, in der Vergangenheit unbewusst konditionierten, Erfahrungen. Doch das Konzept Achtsamkeit scheint mehr zu beinhalten. Es wird über Wirksamkeitsstudien berichtet, die darauf hindeuten, dass Achtsamkeitsmeditation zu erhöhtem Wohlbefinden, Stressreduktion, verringerten Symptomen und besserer Gesundheit führen kann. (Schmidt, 2007). Insbesondere die Erhöhung des Wohlbefindens und die Reduktion von Stress werden im Rahmen dieser Arbeit anhand der aktuellen wissenschaftlichen Literatur zum Thema Achtsamkeit betrachtet. Die Basis für die Betrachtung von Achtsamkeit zur Stressreduktion bildet in dieser Arbeit das „Mindfulness-based stress reduction program (MBSR)“ von Prof. Jon Kabat-Zinn (1990). Die beiden Fragen, denen nachgegangen wird, sind: Kann das „Mindfulness-based stress reduction program“ erfolgreich zur Stressbewältigung eingesetzt werden und kann durch Achtsamkeitsmeditation eine Erhöhung des Wohlbefindens erreicht werden?
Der Aufbau der Arbeit zum Thema Achtsamkeit erstreckt sich folgendermaßen: Nach einer kurzen Definition, was mit Achtsamkeit in dieser Arbeit gemeint ist, wird kurz auf den Ursprung der Achtsamkeit im Buddhismus eingegangen. Danach folgt eine Darstellung des Konzeptes Achtsamkeit in der heutigen Psychologie. Wo findet Achtsamkeit Anwendung in Psychologie und Psychotherapie und wie wird sie eingesetzt? Im dritten Teil wird dann insbesondere das „Mindfulness-based stress reduction program“ von Kabat-Zinn (1990) betrachtet. Hier wird die Methode beschrieben, wie das Konzept der Achtsamkeit angewendet wird. Der Nutzen von Achtsamkeit für die Probanden wird dargestellt und Validierungsstudien zum „Mindfulness-based stress reduction program“ werden diskutiert. Weiterhin wird den Fragen nachgegangen ob Achtsamkeit zu einer Erhöhung des Wohlbefindens beiträgt und ob die Anwendung von Achtsamkeit einen Effekt auf die Gesundheit der Probanden hat. Die mit der Achtsamkeit verfolgten psychologischen und psychotherapeutischen Ziele können als (psychische) Gesundheit, Lebensqualität und Lebenszufriedenheit beschrieben werden (Buchheld & Walach, 2001). Die Zielsetzung im Rahmen dieser Arbeit ist die Folgende: Es soll anhand der aktuellen wissenschaftlichen Literatur untersucht werden, ob das Konzept der Achtsamkeit insbesondere zur Stressbewältigung durch MBSR Wirksamkeit erzielt. Weiterhin soll anhand der Literatur dargestellt werden, ob die Praxis der Achtsamkeit zu einer Steigerung des Wohlbefindens führen kann.
Achtsamkeit:
Schmidt (2007) postuliert: „Achtsamkeit kann als Begriff für ein: theoretisches Konzept, eine gewisse Übungspraxis (Meditation), einen psychologischen Prozess (achtsam sein) und eine Charaktereigenschaft verwendet werden.“
„Achtsamkeit als Übung ist die Praxis einer bewussten (intentionalen), aufmerksamen, wachen und liebevoll akzeptierenden Grundhaltung gegenüber allen Bewusstseinsinhalten in jedem Moment“ (Schmidt, 2007).
Solé-Leris (1994) beschreibt Achtsamkeit als: „das aufmerksame und unvoreingenommene Beobachten aller Phänomene, um sie wahrzunehmen und zu erfahren, wie sie in Wirklichkeit sind, ohne sie emotional oder intellektuell zu verzerren“.
Mindfulness:
Bekannter als das Wort Achtsamkeit ist das Synonym und gleichzeitig der englische Ausdruck „Mindfulness“. Dieser hat besonders durch das Stressbewältigungsprogramm von Prof. Jon Kabat-Zinn (1990) an Popularität gewonnen. In englischer Sprache wird Mindfulness (engl. für Achtsamkeit) folgendermaßen definiert: „Mindfulness is the clear and single-minded awareness of what actually happens to us and in us at the successive moments of perception” (Nyanaponika Thera, 1972).
Abkürzungen:
MBSR = Mindfulness-based Stress Reduction Program (Kabat-Zinn, 1990)
MBCT = Mindfulness-based Cognitive Therapy (Teasdale, 1999)
Die Ausübung von Achtsamkeitsmeditation basiert auf dem klassischen Buddhismus, wie er seit Siddharta Gautama (ca. 563 v. Chr.) in Indien gelehrt wird. „Rechte Achtsamkeit“ ist eine der acht Weisheiten, welche im edlen achtfachen Pfad zur Leidaufhebung führen und den Übergang in das Nirvana ermöglichen sollen. Buchheld & Walach (2001) beschreiben, dass „Rechte Achtsamkeit“ insbesondere die Verbindung von Achtsamkeit mit einer heilsamen, altruistischen Motivation ausdrückt. „Rechte Achtsamkeit beinhaltet das Gebot die Umwelt bewusst zu erleben“ (Schiffbauer, 2005). Damit ist gemeint, dass man sich eines jeden Augenblickes bewusst ist und damit Gedanken über Vergangenheit und Zukunft loslässt. Erst dann kann jeder Augenblick gelebt werden, wie er ist. Alter Groll kann losgelassen werden und die gegenwärtige Erfahrung kann beobachtet werden, ohne bewertend Stellung zu nehmen. Grün (2001) beschreibt in „Das kleine Buch vom wahren Glück“ eine kurze Geschichte über einen Zen-Mönch, der einmal gefragt wurde, was er denn für eine Meditationspraxis hätte. Der Mönch antwortete: „Wenn ich esse, dann esse ich. Wenn ich sitze, dann sitze ich. Wenn ich stehe, dann stehe ich, und wenn ich gehe, dann gehe ich. Da meinte der Fragende: „Aber das ist doch nichts Besonderes, das tun wir doch alle“. „Nein“, sagte der Mönch, „wenn du sitzt, dann stehst du schon. Und wenn du stehst, dann bist du schon auf dem Weg.“ Diese Geschichte beschreibt das Bewusstsein des Augenblicks und soll zeigen, dass Achtsamkeit im Alltag immerwährend angewandt werden kann. Achtsamkeit wird nicht nur als Sitzmeditation verwendet. Die JapanerInnen wenden Achtsamkeit in Form von Zen-Gewahrsein z. B. für die Zubereitung von Tee an oder für die Pflege von Bonsai Bäumen. Dies sind Jahrhunderte alte Rituale, die sich als Form der Besinnung fest in den Tagesablauf integriert haben. Rechte Achtsamkeit entstammt dem Teil der buddhistischen Lehre, der konkrete Ratschläge gibt, wie man sich verhalten soll. Es wird als eine Art Geistestraining angesehen, denn „ [… ] für einen Buddhisten fängt das Tun nicht erst mit der Tat an, die Vorbereitungen für eine Tat finden immer im Denken statt, ob bewusst oder unbewusst“ (Schiffbauer, 2005). In den buddhistischen Schriften stellt Achtsamkeit eine Übersetzung des Pali-Wortes „Sati“ dar. „Sati“ hat außerdem die Bedeutung „Besinnung“, „Gedächtnis“ und „Erinnerung“ (Buchheld & Walach, 2001). Achtsamkeit ist demzufolge auch ein Sicherinnern an das, was gerade im Moment stattfindet (Gruber, 1997). Parallelen von rechter Achtsamkeit im Buddhismus gibt es laut Fink (2004) zu westlichen Traditionen in denen Achtsamkeit mit Andachtsübungen in Verbindung gebracht wird, in denen das Göttliche ein ständiger Gefährte in uns ist. Die Achtsamkeit betrachtet Erfahrungen als Phänomene, ohne sich in ihnen zu verlieren (Scholz, 1992). Ein besonderes Kennzeichen der Achtsamkeit ist, dass die aufkommenden Gedanken und Empfindungen nicht bewertet werden. In den USA stellt die Vipassana-Meditation mittlerweile die populärste buddhistische Praxis dar (Gruber 1999). Mehr Informationen zum Buddhismus können nachgelesen werden in „Der Buddhismus. Entstehung, Verbreitung, Praktische Lebensweisen.“ (Schiffbauer, 2005).
Das Konzept Achtsamkeit erfreut sich in der Psychologie auch in Deutschland immer größerer Beliebtheit. Im Juli 2005 fand z. B. in Mannheim ein Symposium zum Thema Therapien auf der Basis von Achtsamkeit statt, zu dem sich mehr als eintausend Therapeuten und Wissenschaftler eingefunden hatten (vgl. Kabat-Zinn, 2007). Die mit der Achtsamkeit verfolgten psychologischen und psychotherapeutischen Ziele können als (psychische) Gesundheit, Lebensqualität und Lebenszufriedenheit beschrieben werden (Buchheld & Walach, 2001). Nach Goleman (1996) bildet Achtsamkeit die grundlegende emotionale Kompetenz auf der die Selbstkontrolle aufbaut. Buchheld und Walach (2001) beschreiben, dass mit gewachsener Achtsamkeit bzw. Ich-Stärke die Fähigkeit vergrößert werden kann mit inneren Konflikten umzugehen. Epstein (1996) nimmt an, dass Achtsamkeitsmeditation die Form von Ich-Stärke verleihen kann, die für eine erfolgreiche Psychotherapie notwendig ist. Parallelen dieser Ich-Stärke sind auch in der Selbstwirksamkeitstheorie (engl. Self-Efficacy) von Bandura (1977) zu finden. Mit Selbstwirksamkeit ist die Meinung einer Person gemeint, ob sie sich selbst als fähig genug ansieht, eine bestimmte Aufgabe erfolgreich erledigen zu können. Diese Meinung über sich selbst entsteht oft automatisch durch Erfahrungen aus der Vergangenheit. Achtsamkeit kann dafür sorgen, dass ein kurzer Moment entsteht zwischen der Wahrnehmung der Situation und der darauffolgenden Reaktion. Somit wird der Prozess der Meinungsbildung bewusst und die Entstehung der eigenen Selbstwirksamkeit kann analysiert und bewusst beeinflusst werden. Achtsamkeitsübungen geben uns die Möglichkeit uns bewusst zu machen, was gerade im Augenblick geschieht und eröffnen uns einen Handlungsspielraum, den wir bei automatischen und unbewussten Handlungen nicht haben.
Scholz (1992) weist im Zusammenhang mit Drogensucht auf die Selbstrealisierung der gedanklichen Abläufe und der kognitiven Prozesse während der Achtsamkeitsmeditation hin. Buchheld und Walach (2001) erwähnen psychotherapeutische Verfahren, die deutliche Parallelen zur Achtsamkeitspraxis aufweisen. Dies sind Verfahren und Konzepte wie die „gleich schwebende Aufmerksamkeit“ (vgl. Epstein 1996), die „awareness“ in der Gestalttherapie (vgl. Gremmler-Fuhr 1999), der „felt sense“ aus dem Focusing (vgl. Gendlin 1998), die Prinzipien in der Inneren Achtsamkeit und Gewaltlosigkeit in der Hakomi-Therapie (vgl. Johanson & Kurtz 1993) als auch neuere Verfahren wie die Japanische Morita-Therapie (Reynolds 1987) oder Tara Ropka (vgl. Niehaus & Küstner 1997). An Popularität hat Achtsamkeit in Psychologie und Medizin am meisten gewonnen durch das von Kabat-Zinn im Jahr 1979, an der University of Massachusetts entwickelte „Mindfulness-based stress reduction program“, welches im nächsten Absatz genauer beschrieben wird.
Jon Kabat-Zinn entwickelte 1979 als Professor für Medizin an der Universitätsklinik von Massachusetts das „Mindfulness-based stress reduction program“ nachfolgend MBSR genannt . MBSR ist ein Übungsprogramm zur Stressreduktion, zur Entspannung und zur Aktivierung des Immunsystems, welches mittlerweile in den USA mit großem Erfolg in über 300 Kliniken angewandt wird. Achtsamkeit wird in diesem Programm völlig losgelöst von jeglichem religiösen oder ideologischen Kontext gelehrt. In einem acht wöchigen MBSR Entspannungsprogramm lernen seine Patienten „ [… ] Schritt für Schritt, wie man u.a. durch bestimmte Atemübungen, Meditationen und Yoga achtsam wird, sich entspannt und auf diese Weise Stress, Schmerzen und Beschwerden abbauen kann“ (Kabat-Zinn, 2006). Die Patienten, die an die Stress-Klinik in Massachusetts meist durch ihre Hausärzte überwiesen werden, verpflichten sich an einem 8 wöchigen MBSR Programm teilzunehmen. Zusätzlich zu den Gruppentrainingsstunden und den Einzelgesprächen soll jeder Patient täglich mindestens 45 Minuten die gelehrten Achtsamkeitsübungen alleine anwenden. Kabat-Zinn (2006) berichtet, dass eine Vielzahl seiner Patienten diese täglichen 45 Minuten Achtsamkeitstraining fest in ihr Leben integriert haben und auch Jahre nach dem Kurs noch durchführen. Doch woraus bestehen diese Achtsamkeitsübungen?
Die Achtsamkeitspraxis besteht aus vielen verschiedenen Übungen, die alle mit dem Ziel verbunden sind, achtsam zu leben. Darunter zählen z. B. verhaltenstherapeutische Übungen zur inneren Einstellung, Atemmeditationen, Konzentrationsübungen, Bewusstseinstraining, Body Scan (ähnlich dem autogenen Training) und Yoga. Grundlegend für alle der oben aufgeführten Übungen sind die folgenden Faktoren, welche in der Achtsamkeitsmeditation ganz zu Anfang gelehrt werden und welche während des Trainings immer wieder auftauchen:
1. Nicht-Beurteilen; 2. Geduld; 3. Den Geist des Anfängers bewahren; 4. Vertrauen; 5. Nicht-Greifen; 6. Akzeptanz; 7. Loslassen. Diese 7 Eigenschaften bilden das Fundament der Achtsamkeitsmeditation und sollen daher hier näher beschrieben werden.
1. Nicht-Beurteilen
Achtsamkeit kann erreicht werden, indem man lernt, die eigenen Erfahrungen als neutraler Beobachter zu betrachten. Mit Nicht-Beurteilen ist gemeint, dass unsere Erfahrungen von uns nicht direkt und unbewusst bewertet und kommentiert werden sollen. Mit Unachtsamkeit beschreibt Kabat-Zinn (2006) das Schubladendenken und die Gewohnheit des Beurteilens, welche uns zu unreflektiertem, reaktivem Verhalten, dem jegliche Objektivität fehlt, verdammt. Die Gewohnheit alles automatisch zu bewerten, beherrscht unser Denken so vollständig, dass es sehr schwierig ist, innerlich ruhig zu werden und Stress auszugleichen. Die Praxis der Achtsamkeit leitet dazu an, die Gewohnheit des Beurteilens sofort wenn sie auftritt zu erkennen und bewusst in die Rolle des neutralen Beobachters zu wechseln. Es geht nicht darum, dass Beurteilen abzublocken oder das Beurteilen zu bewerten, sondern um das Erkennen, dass dies unbewusst geschieht. Durch die Position des neutralen Beobachters lässt sich die Fähigkeit der Selbstkontrolle steigern. Man wird sich seiner Wahrnehmungen bewusst und schafft einen kleinen Raum zwischen ‚objektiver‘ Wahrnehmung und der eigenen Reaktion. Kabat-Zinn (2006) beschreibt die Übung des Nicht-Beurteilens als solche:
„Wenn ein Urteil im Geist entsteht, sollte man es als solches erkennen und sich gleichzeitig daran erinnern, dass man dabei ist, das, was geschieht, lediglich zu beobachten, ohne es zu bewerten, ohne es festzuhalten, zu verfolgen oder in irgendeiner Form darauf zu reagieren.“
2. Geduld
Mit Geduld bezogen auf die Achtsamkeitsübungen ist gemeint, dass manche Dinge Zeit benötigen und man sie nicht erzwingen kann. Vielmehr muss man akzeptieren, dass Ungeduld einen nicht wirklich weiterbringt, sondern dass alle Dinge zu ihrer Zeit geschehen. Es liegt in der Natur des Menschen, dass er Situationen gerne kontrollieren möchte. Häufig macht dies aber keinen Sinn und man vergeudet nur unnötige Energie. Kabat-Zinn (2006) rät geduldig darauf zu vertrauen, dass die Dinge, die man nicht verändern kann, sich von alleine entfalten, wenn die richtige Zeit gekommen ist. Mit dieser Einstellung sollen auch die Atemmeditationen und Yoga-Übungen ausgeführt werden.
3. Den Geist des Anfängers bewahren
Wenn man Dinge oder andere Menschen betrachtet, sieht man sie häufig nicht so, wie sie tatsächlich sind. Meistens hat man von vielem eine vorgefasste Meinung, und wir geben uns nicht die Mühe, diese Meinung nochmals zu überprüfen. „Den Geist des Anfängers bewahren“ bedeutet, dass man auf alle Dinge und Situationen so zugeht, als wäre es das erste Mal, dass man diese wahrnimmt. Durch diese Offenheit und Unvoreingenommenheit sieht man die Dinge aus einer anderen Perspektive. Vergangene Erfahrungen, Erlebnisse und Vorurteile spielen dann keine Rolle mehr. Wenn man unvoreingenommen und offen durchs Leben geht, kann man auch alltägliche Sachen wie die Sonne, die Blumen oder Menschen, die man schon sehr lange kennt, wieder mit anderen Augen sehen und stellt fest, welche Vielfalt doch in all dem steckt.
4. Vertrauen
Eine wichtige Voraussetzung zur Erreichung der Achtsamkeit ist Vertrauen. Allerdings nicht das Vertrauen in die Meinung und das Können anderer, sondern Vertrauen in sich selbst. Viele Menschen lassen sich gerne leiten und führen und vertrauen anderen Menschen, wenn es darum geht, wichtige Entscheidungen zu treffen. Sie vertrauen also mehr in die Fähigkeiten eines anderen als in das eigene Können. Häufig wird dabei versucht, so zu werden wie das Vorbild. Sie eifern ihren Idolen nach und verlassen sich auf deren Wissen und Können. Eine wichtige Erkenntnis der Achtsamkeit aber ist, dass man nicht versuchen soll, jemand anderes zu sein, sondern immer man selbst zu bleiben. Man sollte seinen eigenen Instinkten und Gefühlen vertrauen und in sich hinein horchen. Oft sendet unser Körper uns wichtige Signale, die viel klarer zum Ausdruck bringen, ob uns eine Sache gut tut oder nicht. Wenn man beispielsweise beim Dauerlauf plötzlich Seitenstechen und Atemnot bekommt, sagt uns unser Körper, dass wir ihm schaden. Auch wenn der Trainer der Meinung ist, dass man noch 1 km laufen kann, sollte man in dieser Situation auf seinen Körper hören und nicht den Ängsten erliegen, was Trainer oder andere sagen würden, wenn man nicht weiterläuft. Eben solche Ängste und die Abhängigkeit von der Meinung der Kollegen und des Chefs, sorgen im Alltag für viele Stresssituationen, denen wir oft nicht gewachsen sind. Mit einer Grundhaltung des Vertrauens lassen sich viele Situationen und Probleme viel leichter und stressfreier bewältigen (vgl. Seligman, 2005).
5. Nicht-Greifen
Mit Nicht-Greifen ist gemeint, dass wir einmal innehalten sollen, ohne einen Zweck zu verfolgen. Normalerweise ist jede Handlung an einen bestimmten Zweck gebunden. Es geht nicht um die Handlung selbst, sondern nur um die Erreichung des Zwecks. Dadurch werden Handlungen nicht um der Handlung selbst willen ausgeführt sondern daran gemessen, ob sie geeignet sind, ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Dadurch ist man gehemmt, im Hier und Jetzt zu leben und den Augenblick zu genießen. Wenn man aber loslassen kann und den Moment, so wie er ist annehmen kann, ohne ihn festhalten zu wollen, hat man das Prinzip des „Nicht-Greifens“ verstanden.
6. Akzeptanz
Unter Akzeptanz versteht man die Fähigkeit, die Dinge so zu akzeptieren, wie sie sind. Dies bedeutet nicht, dass man alles gut finden soll oder nicht den Drang haben dürfte, etwas ändern zu wollen. Sondern Akzeptanz bedeutet, dass man Geschehnisse möglichst unvoreingenommen betrachtet und versucht, die Situation frei von Ängsten und vorgefertigten Meinungen zu sehen. Es gibt Situationen, die wir nicht ändern können. Schmerzen oder Tod zum Beispiel. Es bringt uns nichts, wenn wir viel Kraft und Energie darauf verschwenden, uns gegen diese Situation aufzulehnen oder sie zu bekämpfen. Dieses Auflehnen kann sogar verhindern, dass sich die Situation zum Positiven wendet. Wenn man aber Situationen und Geschehnisse als gegeben akzeptieren lernt und jeden Augenblick unvoreingenommen und wertfrei zu betrachten, erwirbt man die notwendige Akzeptanz auf dem Weg zu mehr Achtsamkeit.
7. Loslassen
Jeder Mensch hat Gewohnheiten, Erfahrungen oder Gefühle, an denen er festhalten möchte, weil er sie besonders mag. Negative Emotionen, Erlebnisse oder Situationen hingegen würden wir am liebsten sehr schnell loswerden bzw. verdrängen. Die Lehre der Achtsamkeit vertritt die Auffassung, dass man generell jede Erfahrung, egal ob positiv oder negativ, erwünscht oder unerwünscht für den jeweiligen Moment loslassen sollte. Häufig fällt es schwer, Dinge loszulassen. Wer beispielsweise unter Schlafproblemen leidet, hat möglicherweise ein Problem loszulassen und nimmt seine stressigen Gedanken mit ins Bett. Ziel ist es, jeder neuen Situation unvoreingenommen und wertfrei gegenüberzustehen und alte Erfahrungen oder Zukunftsängste loszulassen. Wie wichtig die Erinnerung an diese sieben Faktoren der Grundhaltung zur Achtsamkeit ist, beschreibt Kabat-Zinn (2006) folgendermaßen:
„Achtsamkeit entsteht nicht einfach wie von selbst, nur weil man zu der Überzeugung gelangt ist, dass es nützlich und wünschenswert wäre, bewusster zu leben. Es bedarf vielmehr einer starken Entschlossenheit sowie einer wirklichen Überzeugung vom Wert solchen Tuns, um jene nötige Disziplin aufzubringen, die man als Grundpfeiler einer effektiven Meditationspraxis bezeichnen könnte“ (Kabat-Zinn, 2006).
Die oben beschriebenen 7 Faktoren der Achtsamkeit sollen der Meditation zur Stressbewältigung zugutekommen, egal welche Meditationsart oder Achtsamkeitsübung benutzt wird. Die Patienten der Stressklinik werden geschult in Atembetrachtung, Sitzmeditationen (ähnlich dem Autogenen Training) und Bewegungsmeditationen (Yoga). Weiterhin werden sie dazu angeleitet, jeden einzelnen Moment achtsam zu betrachten und dies in ihren ganzen Tagesablauf zu integrieren. Diese Meditationsübungen können prophylaktisch angewandt werden und dafür sorgen, dass man dem täglichen Stress, durch eine ausgeglichene Art gewappnet ist. Die Übungen können aber auch direkt nach den Stresssituationen angewandt werden.
Ein Beispiel einer kurzen MBSR Achtsamkeitsübung, welche genutzt werden kann, um im Alltag bewusst und achtsam zu sein, ist die Übung: Gegenwärtiger Moment, wunderbarer Moment (Thich Nhat Hanh, 2007). Sobald man merkt, dass man abgelenkt und unbewusst im Alltag reagiert, kann man mithilfe dieser Übung wieder achtsam für den Moment werden.
Gegenwärtiger Moment – Wunderbarer Moment
Während man ein- und ausatmet, kann man die folgenden Zeilen still und immer wieder aufsagen um die Atmung bewusst zu genießen und achtsam für den Moment zu sein:
„Beim Einatmen schenke ich meinem Körper Ruhe.
Beim Ausatmen lächle ich.
Ich verweile im gegenwärtigen Moment
Und weiß, es ist ein wunderbarer Moment.“
(Thich Nhat Hanh, 2007)
Thich Nhat Hanh (2007) beschreibt die Gedanken, die aufkommen können folgendermaßen:
„Wenn ich einatme und die Zeilen spreche, spüre ich tatsächlich, wie mein Atem Körper und Geist beruhigt. Ich verweile im gegenwärtigen Moment. Während ich hier sitze, denke ich an nichts anderes. Ich sitze hier und weiß genau wo ich bin. Und weiß, es ist ein wunderbarer Moment. Es ist eine Freude, fest und bequem dazusitzen und zu unserem Atem, unserem Lächeln, unserer wahren Natur zurückzukehren. Im gegenwärtigen Moment sind wir mit dem Leben verabredet.“
Der Autor berichtet, dass viele Meditierende, die selbst seit 30 oder 40 Jahren in Meditation und in bewusstem Atmen geschult sind, diese Art der Übung immer noch nutzen, weil sie so wesentlich und einfach ist.
Zwei weitere Beispiele von Übungen des MBSR Programms sind: der Body Scan und die Meditation über Gedanken und Gefühle von Kabat-Zinn (2006). Die Anleitungen zu diesen beiden Meditationen zur Erreichung von Achtsamkeit, wie sie im MBSR-Programm gelehrt werden, befinden sich im Anhang dieser Arbeit.
Majumdar & Walach (1998) untersuchten, ob Achtsamkeitsmeditationskurse, so wie sie von Kabat-Zinn in den USA durchgeführt werden, bei Patienten mit psychosomatischen und psychischen Problemen in Deutschland: a) durchführbar sind b) eine Veränderung in Befindlichkeit und Symptombild bewirken c) mit dem vorgeschlagenen Evaluationskonzept von (Majumdar & Walach, 1998) untersuchbar sind. In der Stichprobe wurden 21 Patienten im Alter zwischen 22 – 62 Jahren untersucht. Als Design wurde eine Vorher / Nachher – Beobachtungsstudie gewählt mit einer dreimonatigen Nachbefragung (Katamnese). Majumdar & Walach (1998) berichten, dass das Allgemeinbefinden gemessen mit der FBL ( Freiburger Beschwerdeliste) zum Katamnesezeitpunkt signifikant anstieg. „Die psychische Belastung gemessen mit der SCL-90 verbesserte sich von der Vortestung bis zum Katamnesezeitpunkt klinisch bedeutsam und statistisch hochsignifikant.“ Ebenso wird berichtet, dass sich die Lebenszufriedenheit insbesondere im gesundheitsbezogenen Modul deutlich und signifikant verbesserte. Besonders positiv wurden von den KursteilnehmerInnen die Bewusstheit, das Innehalten sowie die dadurch erreichte Gelassenheit aufgenommen. Wünschenswert wäre, wenn im deutschsprachigen Raum Folgestudien durchgeführt werden, da ein N von 21 statistisch gesehen recht klein ist. In einer anderen Studie beschreiben Kabat-Zinn & Salzberg (1998) einen signifikanten Anstieg des Kohärenzgefühls ihrer Patienten nachdem sie an einem 8-wöchigen auf Achtsamkeit basierendem Stressreduktionsprogramm teilgenommen haben. Das Kohärenzgefühl beinhaltet drei zentrale Komponenten: Verstehbarkeit, Handhabbarkeit und Bedeutsamkeit. Eine Person mit einem starken Kohärenzgefühl ist sich demnach eher ihrer Emotionen bewusst, kann sie leichter benennen und fühlt sich weniger durch sie bedroht (Antonovsky, 1997). Nach Studer (1999) ist insbesondere die „Atembetrachtung“ als Coping-Technik in akuten Stresssituationen wirkungsvoll. Die Atembetrachtung ist eine der Basis Übungen der Achtsamkeitsmeditation im MBSR-Programm. Walach et al. (2003) drücken die Relevanz von Validierungsstudien zur Achtsamkeit folgendermaßen aus: „Wenn man zeigen will, dass Achtsamkeit ein relevantes Konstrukt ist, muss man dies empirisch tun und den Spielregeln folgen, die die Mehrheit akzeptiert hat.“ Um feststellen zu können, ob der Zustand, welcher in Achtsamkeitsstudien gemessen wird, wirklich Achtsamkeit ist, wurde der Freiburger Fragebogen zur Achtsamkeit entwickelt (Walach et al., 2003).
Quelle: Walach, H. et al., (2003). Empirische Erfassung der Achtsamkeit – Die Konstruktion des Freiburger Fragebogen zur Achtsamkeit (FFA) und weitere Validierungsstudien. In Achtsamkeit und Akzeptanz in der Psychotherapie, dgvt-Verlag.
Der gesamte Fragebogen ist im Anhang dieser Arbeit einzusehen (Anhang D). Der Freiburger Fragebogen zur Achtsamkeit wurde an Stichproben von 115 TeilnehmerInnen an einem Vipassana-Retreat (Achtsamkeits-Seminar) jeweils vor und nach dem Retreat ausgefüllt. Die 30 Item-Langform des FFA weist mit einer internen Konsistenz von r = .93 und einer Vierfaktorenstruktur gute psychometrische Kennwerte auf. Die Korrelation mit anderen Skalen wie private Selbstaufmerksamkeit und Selbstkenntnis ergab eine überzeugende Validierung (Walach et al., 2003). Buchheld & Walach (2001) weisen auf neuere Studien hin, die die klinisch-therapeutische Wirksamkeit von Achtsamkeitsmeditation bestätigt haben (Astin 1997; Kabat-Zinn et al 1998; Miller, Fletcher & Kabat-Zinn 1995; Scholz 1992; Studer 1999). Majumdar (1998) hat die klinisch-therapeutische Wirksamkeit des Stressreduktions-Programms für den deutschen Raum bestätigt. Grossman et al. (2004) führten eine Meta-Analyse durch mit dem Titel: Mindfulness-based stress reduction and health benefits – a meta-analysis. 64 empirische Studien wurden zum Thema gefunden, wovon jedoch viele die streng gesetzten Qualitätskriterien nicht erfüllten. Gründe dafür waren z. B. ungenügend Informationen über Interventionen, inadäquate statistische Analysen, geringe quantitave Gesundheitsanalysen, etc. . Im Endeffekt wurde mit 20 empirischen Studien zu MBSR gearbeitet, welche die Qualitätskriterien erfüllten. Grossman et al. (2004) verfassen die Conclusion der durchgeführten Meta Analyse in folgendem Satz:
“Although derived from a relatively small number of studies, these results suggest that MBSR may help a broad range of individuals to cope with their clinical and nonclinical problems.” (Grossman et al., 2004).
Eine der beiden Fragen, denen in dieser Arbeit nachgegangen wird, ist: Kann das „Mindfulness-based stress reduction program“ erfolgreich zur Stressbewältigung eingesetzt werden? In der aktuellen Literatur zum Konzept Achtsamkeit wird dies in vielen Studien bestätigt, sodass wir im Rahmen dieser Arbeit den positiven Effekt von Achtsamkeit zur Stressbewältigung bejahen können. Die zweite Frage, der in dieser Arbeit nachgegangen wird, ist: Kann durch Achtsamkeitsmeditation eine Erhöhung des Wohlbefindens erreicht werden? Anhand der aktuellen Literatur soll im folgenden Abschnitt betrachtet werden, ob das Konzept Achtsamkeit einen positiven Effekt auf Gesundheit und Wohlbefinden ausüben kann.
Die MBSR-Kurse von Kabat-Zinn (1998) scheinen neben der Wirkung im Bereich Stressbewältigung auch Einfluss auf Wohlbefinden und Gesundheit zu haben. Forschungsarbeiten zum Einsatz der Achtsamkeitsmeditation bei chronischen Schmerzen und Ängsten belegen beachtliche Erfolge (Kabatt Zinn, 1998). Eine interessante Studie zu MBSR Kursen und deren Auswirkung auf die Gesundheit der Probanden führte Madison (2003) an der University of Wisconsin durch. Madison (2003) und sein Team ließen die Teilnehmer der Studie an einem 8-Wochen-Kurs MBSR teilnehmen und verglichen die Teilnehmer der MBSR-Kurse mit den Teilnehmern aus einer Kontrollgruppe (kein MBSR-Kurs) in den Punkten: EEG Befund, Blutuntersuchung und einer allgemeinen Untersuchung.
„A short program in mindfulness meditation produced lasting positive changes in both the brain and the function of the immune system” (Davidson, 2003).
Die Ergebnisse dieser Untersuchung fasst Sonnentag (2003) wie folgt zusammen: „Die Kursteilnehmer hatten nach dem Kurs eine stärkere Aktivität im linken Stirnhirnbereich als die Kontrollgruppe. Dieser Bereich wird mit positiven Gefühlen und einer geringen Angstintensität in Zusammenhang gebracht. Alle Teilnehmer erhielten am Ende des 8-Wochen-Kurses eine Grippeimpfung. Bei den Kursteilnehmern war die Menge der gebildeten Antikörper nach 4 bzw. 8 Wochen höher als bei der Kontrollgruppe.“
Brown & Ryan (2003) demonstrieren in einer klinischen Interventions Studie mit an Krebs erkrankten Patienten, dass eine Steigerung des Achtsamkeitstrainings zu einer Senkung von Stimmungsstörungen und Stress führte. Miller (1993) weist auf das Potenzial von Achtsamkeitsmeditation als „Zusatz zur Psychotherapie“ hin, insbesondere aufgrund von gesundheitsökonomischen Aspekten.
Basierend auf dem Achtsamkeitsprogramm von Kabat-Zinn hat Teasdale (1999) ein präventives Gruppenprogramm zur Depressionsbehandlung entwickelt. Dieses Gruppenprogramm trägt den Namen „Mindfulness-based Cognitive Therapy (MBCT)“.
Die Effizienz dieses neuartigen, kosteneffizienten und präventivem Gruppenprogramms erscheint vielversprechend (Teasdale, 1999). Ziel und therapeutischer Ansatz von MBCT ist, negative Gedankenmuster durch Achtsamkeitsübungen frühzeitig zu unterbrechen. Da Achtsamkeit Übung erfordert, wäre es interessant zu sehen, ob bei langfristiger Anwendung von MBCT Depressionen und Bipolaren Störungen vorgebeugt werden kann. Langzeitstudien könnten hierüber Aufschluss geben. Anhand der gesichteten Literatur kann gesagt werden, dass das Konzept der Achtsamkeit neben den Erfolgen im Bereich Stressbewältigung auch das Wohlbefinden der untersuchten Probanden verbessert hat. Wenn davon ausgegangen würde, dass eine Verbesserung des Krankheitszustandes automatisch zu einer Verbesserung des subjektiven Wohlbefindens einer Person führt, dann kann angenommen werden, dass MBSR zur Stressbewältigung, bei Menschen die an einer Krankheit leiden, auch gleichzeitig zu einer Steigerung des Wohlbefindens führt. Studien über eine angenommene Korrelation zwischen Stressbewältigung und Wohlbefinden würden darüber Aufschluss geben.
Kabat-Zinn (2006) berichtet, dass die Kursteilnehmer, die durch Ihren Arzt an die Stressklinik überwiesen werden, erst skeptisch reagieren. Sie sagen dann Sätze wie: „Ich brauche keine Stressbewältigungstherapie, ich bin krank!“ Nach dem 8-wöchigen Programm sind die Patienten jedoch glücklich über die Teilnahme und führen die Achtsamkeitsübungen oft über Jahre lang fort. Ob man diesen Punkt als Kritik sehen sollte, ist fraglich, jedoch scheint es so zu sein, dass viele Menschen das Konzept der Achtsamkeit zuerst unterschätzen. Es wird eher als etwas Bekanntes, Selbstverständliches angesehen, ja fast schon als simpel und nicht lohnend. Bei intensiver Beschäftigung mit dem Konzept Achtsamkeit fällt jedoch auf, dass Achtsamkeit viel komplexer und auch viel wirksamer ist, als sie anfangs wahrgenommen wird. Vielleicht würde ein Zusatz des Wortes Gesundheit oder Gesundung im Namen des MBSR Programms für Menschen, denen das Programm unbekannt ist, mehr Aufschluss geben. Dies würde die anfängliche Skepsis reduzieren und mehr Vertrauen in die Therapie selbst aufbauen. Interessant ist auch, dass der Begründer Jon Kabat-Zinn sein MBSR-Programm in Buchform nicht mehr MBSR, sondern „Gesund durch Meditation“ (2006) nennt. Wünschenswert wäre, dass noch mehr Aufklärungsarbeit betrieben wird zum Thema Achtsamkeit. Hierdurch könnte auch die oben erwähnte Skepsis vermindert werden und vielen Patienten einen besseren Einstieg in die Therapie ermöglichen.
Die beiden Fragen, denen in dieser Arbeit nachgegangen wurde: „Kann das Mindfulness-based stress reduction program erfolgreich zur Stressbewältigung eingesetzt werden und kann durch Achtsamkeitsmeditation eine Erhöhung des Wohlbefindens erreicht werden?“, können anhand der gesichteten Literatur beide bejaht werden. Grundlage der Bejahung der beiden Fragen ist die aktuelle Literatur, welche in den Datenbanken PsychInfo, PubMed, Google Scholar Search und der Datenbank der Universitätsbibliothek Hagen gefunden wurde. Für die Suche wurden die Suchwörter: Achtsamkeit, Mindfulness, MBSR, Stressbewältigung und Kabat-Zinn verwendet. Zusammenfassend weisen die Ergebnisse aus Literatur und Forschung auf die psychologische Bedeutung von Achtsamkeit hin (Buchheld & Walach, 2001). Zum Beispiel betrachtet eine Meta-Analyse von Grossman et al. (2004), 64 empirische Studien zu MBSR und bestätigt die Wirksamkeit von MBSR Kursen zur Stressbewältigung. Basierend auf dem Achtsamkeitsprogramm von Kabat-Zinn hat Teasdale (1999) ein präventives Gruppenprogramm zur Depressionsbehandlung entwickelt. Dieses Gruppenprogramm trägt den Namen „Mindfulness-based Cognitive Therapy (MBCT)“. Mehrere Studien belegten eine Steigerung des Wohlbefindens durch die Praxis der Achtsamkeit (vgl. Brown & Ryan, 2003; Buchheld & Walach, 2001). Die Effizienz dieses neuartigen, kosteneffizienten und präventiven Gruppenprogramms erscheint vielversprechend (Teasdale, 1999).
Es erscheint sinnvoll, weitere Studien zum Thema Achtsamkeit durchzuführen, da in der gesichteten Literatur viele Vorteile für Gesundheit und Wohlbefinden eng mit dem Konzept Achtsamkeit verknüpft sind. Da das Konzept Achtsamkeit als begleitende Therapieform bei Krankheiten, zur Stressbewältigung und zur Steigerung des subjektiven Wohlbefindens beachtliche Erfolge erzielt hat, erscheint auch die weitere Entwicklung von auf Achtsamkeit basierenden Therapien in der Psychotherapie vielversprechend.
Mit Dankbarkeit und einem schönen Gefühl das Konzept der Achtsamkeit kennengelernt zu haben, erlebe ich den jetzigen Moment, an dem ich diesen Schlusssatz schreibe.
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